In der politischen Realität werden viele Staatswesen als
Demokratie bezeichnet, die ganz unterschiedlich organisiert sind. Dies trifft
umso mehr zu, je weiter man in die Geschichte zurückblickt.
Demokratie bedeutet „Herrschaft des Volkes“ und in den
Anfängen bezog sich das tatsächlich auf die Exekutive. Die Herrscher
wurden durch das Volk bestimmt und kamen aus dem Volk. Dh sowohl das aktive
als auch das passive Wahlrecht kam grundsätzlich allen Bürgern zu.
Dabei darf nicht übersehen werden, dass nie alle Einwohner eines Staates Bürgerrechte hatten und, dass auch nie alle Bürger tatsächlich wahlberechtigt waren. Es gab und gibt zahlreiche Gründe für die Einschränkung des Wahlrechts: Sklaven, Personen ohne Staatsbürgerschaft, Angehörige die nicht einer bestimmten ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe angehören, Leute ohne festen Wohnsitz, Strafgefangene, Verurteilte, Angehörige bestimmter Berufe, Frauen, Minderjährige, Arme, geistig oder physisch Kranke, Alte und Gebrechliche, Leute die kein Grundstück besitzen, Leute die keine Steuern bezahlen. Viele dieser Gründe sind im Lauf der Geschichte weggefallen, einige bestehen in vielen Demokratien heute noch.
Ursprünglich wurden Wahlen auch nicht immer durch
Stimmabgabe durchgeführt, vielfach wurde eine Wahlentscheidung durch Los herbeigeführt.
Bei Stimmengleichheit gilt auch heute noch in vielen Demokratien der
Losentscheid als Ultima Ratio.
Erst im 17 Jahrhundert, als sich die Idee einer rechtsstaatlichen
Verwaltung zu verbreiten begann (Habeas Corpus Akte 1671) verlagerte sich
die Idee der Volkssouveränität von der Exekutive auf die Legislative und
die Wahl der Parlamente rückte in den Fokus des Demokratieverständnisses. Die
Exekutive war zu dieser Zeit fest in monarchischer Hand.
Erst im 18 Jahrhundert kam mit Montesquieu (De l’esprit
des lois, Vom Geist der Gesetze 1748) die Idee der Gewaltentrennung auf,
die ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen einer freiheitlichen
Demokratie und einer Volksdiktatur ist. Die Idee war, dass das Volk als
oberster Souverän die Gesetze beschließt, die die Exekutive als lediglich
ausführendes Organ vollzieht und über deren Einhaltung die Judikative als von
der Legislative und der Exekutive unabhängige Macht wacht.
Durch die Überwindung der konstitutionellen Monarchie in vielen Staaten ist das Prinzip der Gewaltentrennung, durch den Verlust des Antagonismus einer monarchisch dominierten Exekutive und eines demokratisch gewählten Parlaments unter Druck gekommen. Insbesondere dort wo die Regierung vom Parlament gewählt wird, oder durch das parlamentarische Recht die Regierung durch Misstrauensantrag zu stürzen, vom Parlament abhängig ist, muss man feststellen, dass eine Gewaltentrennung eigentlich nicht mehr vorhanden ist.
Dem Prinzip der Gewaltentrennung wird daher noch am
ehesten in präsidialen Demokratien entsprochen, wo die Exekutive und die
Legislative in zwei unterschiedlichen, von einander unabhängigen Wahlgängen gewählt
werden.
Allerdings haben sich in den fast allen modernen
Demokratien Parteien etabliert, die danach trachten die gesamte Macht im
Staat in ihrer Hand zu vereinen. Daher kommt es auch in präsidialen Demokratien
oftmals zur einer faktischen Vereinigung der Macht, wenn der Regierungschef der
gleichen Partei angehört, die die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament
stellt.
Der aus Sicht der Gewaltentrennung schädlichen Macht der
Parteien kann noch am ehesten dadurch entgegengewirkt werden, in dem die Wahlen
nicht in Form eines Listenwahlrechts sondern als Persönlichkeitswahl
mit grundsätzlich unabhängigen Abgeordneten organisiert werden.
Dass viele Demokratien ihre Legislative in zwei
Kammern organisieren, hat weder mit Gewaltentrennung noch mit Demokratie
etwas zu tun. Im Gegenteil, die zweite Kammer führt in vielen Fällen dazu, dass
der Wille des Volkes wie er in der ersten Kammer repräsentiert ist nicht zum
Durchbruch kommt.
Die Organisation einer unabhängigen Justiz ist in einer Demokratie schwierig. Ursprünglich hat sich die Forderung nach einer unabhängigen Justiz nur auf das Strafrecht bezogen und zwar in dem Sinn, dass die Justiz von der Strafverfolgungsbehörde als Teil der Exekutive unabhängig sein soll. Die Einrichtung von Geschworenengerichten per Losentscheid, war aus dieser Sicht sicherlich eine gute Lösung.
Mittlerweile ergibt sich jedoch das Problem, dass unser Rechtswesen
viel differenzierter und man muss zugestehen, leider auch komplizierter
geworden ist, so dass die Idee, dass rechtliche Laien über oftmals komplexe
juristische Sachverhalte entscheiden sollen, als nicht mehr die beste angesehen
wird.
Spätestens mit der Etablierung von
Verfassungsgerichtshöfen ergibt sich aber auch die Notwendigkeit einer
Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit von der Legislative. Die Nominierung von
Höchstrichtern durch das Parlament ist daher als äußerts problematisch
einzustufen.
Eine Wahl durch das Volk erscheint auch problematisch, da
der Zugriff der Parteien auf die Kandidaten, als auch die Abhängigkeit der Kandidaten
von den Wählern bzw. bestimmten Wählergruppen zumindest den in der öffentlichen
Wahrnehmung wichtigen Anschein der Unparteilichkeit nachhaltig zerstören würde.
Ein Mischverfahren aus Kooptierung und Losentscheid
könnte hier einen Ausweg bieten.
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil einer freiheitlichen Demokratie ist die Anerkennung von Menschen- und Grundrechten in die der Staat, auch nicht per Mehrheitsentscheid, eingreifen darf. Dieser Schutz des Individuums vor der Macht bzw. der Willkür des Volkes ist wesentlich zur Verhinderung einer Volksdiktatur. Diese Abzusichern ist jedoch schwierig, als zumindest eine Mehrheit per Volksabstimmung immer eine Änderung dieser Rechte herbeizuführen vermag. Einen gewissen Schutz bieten hier aber zwischenstattliche oder multinationale Verträge sowie internationale und supranationale Institutionen die über die Einhaltung dieser Rechte wachen. Die unmittelbare innerstaatliche Durchsetzung dieses Schutzes bleibt aber oftmals schwierig. Dennoch hat hier die Einrichtung internationaler Gerichtshöfe viel bewirkt und zum Schutz der Menschen vor staatlicher Willkür aber auch vor staatlich legitimierter Gewalt, beigetragen.
Auf Österreich bezogen muss leider festgestellt
werden, dass unsere Verfassung etliche Demokratiedefizite aufweist.
Die Regierung ist per Misstrauensantrag vom Parlament
abhängig, daher stellt immer das Lager, das über die Mehrheit der Abgeordneten
verfügt auch die Regierung. Darüber hinaus werden auch die Richter des Verfassungsgerichtshofes
vom Parlament bestimmt. Damit ist alle Gewalt in der Hand des Parlaments konzentriert.
Da die Abgeordneten zum Parlament per Listenwahlrecht gewählt werden, liegt die eigentliche Macht in den Händen der Parteien. Dazu kommt, dass die Parteien durch die staatliche Parteienförderung abgesichert, von den Wählern unabhängig agieren können und vom Volk unabhängige Machtbiotope darstellen. Da die Listenplätze in aller Regel per Kooptierung vergeben werden ist der Machterhalt der dominanten Gruppe innerhalb einer Partei meist langfristig abgesichert.
Für Personen mit neuen Ideen ist es daher nicht allein
ausreichend, dass sie die Unterstützung der Wähler haben, sie müssen auch den
mühsamen Weg des Marsches durch die Parteiinstitutionen auf sich nehmen.
Auf die USA bezogen kann festgestellt werden, dass diese, bei allen bestehenden Schwächen wesentlich demokratischer organisiert sind. Hilfreich war dabei sicherlich, dass sich die USA nicht aus einer Monarchie entwickeln musste. Dabei ist insbesondere die gewichtige Rolle die die zweite Kammer im Kräfteverhältnis der Mächte spielt interessant.
Die Regierung ist zwar auch per Misstrauensantrag vom
Parlament abhängig, dieser erfordert aber eine Zweidrittelmehrheit in der
zweiten Kammer.
Die Richter zum Obersten Gerichtshof werden zwar vom
Präsidenten nominiert erfordern aber eine Mehrheit in der zweiten Kammer.
Natürlich kann auch dieses System nicht verhindern, dass die
Macht des Präsidenten, des Parlamentes und des Gerichtshofes in der Hand einer
der zwei dominierenden Parteien vereinigt wird.
Allerdings gibt es kein Listenwahlrecht und die Parteien sind
finanziell und damit auch politisch von den Wählern abhängig. Das Argument,
dass, dadurch Leuten mit viel Geld ein größer politischer Einfluss zukommt, ist
zwar richtig, allerdings darf auch nicht übersehen werden, dass Klein- und Kleinstspenden,
den größeren Teil der Parteienfinanzierung ausmachen.