Nach der Verfassung ist auch das ungeborene menschliche Leben Träger von Menschenwürdeund hat ein eigenes Lebensrecht. Darüber hinaus ist der Staat verpflichtet menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen.

Hinsichtlich der Art des Schutzes kommt dem Gesetzgeber ein Gestaltungspielraum zu. Das Strafrecht kann daher den gleichen ontologischen Menschenstatus anerkennen, aber situationsbedingt milder bestrafen (z. B. bei Tötung auf Verlangen, Beihilfe zur Selbsttötung, Schwangerschaftsabbruch etc.). Das widerspricht nicht der Menschqualität des Opfers. Das Strafrecht reagiert nur abgestuft auf die Schuld- oder Interessenlage, nicht auf den Status des Getöteten.

Darüber hinaus ist das ungeborene Kind, der nasciturus, unter der Bedingung der Lebendgeburt als Rechtssubjekt anerkannt und kann daher nach der Geburt aufgrund pränataler Schädigung durch Dritte auf Schadenersatz klagen. Ist ein gesundheitlicher Schaden entstanden kann eine solche Schädigung auch als Körperverletzung strafrechtlich verfolgt werden.

Gelegentlich wird eingewendet, dass eine Tötung des nasciturus im Unterschied zu dessen Schädigung nicht rechtswidrig wäre, weil im Rechtssubjekteigenschaft nur unter der Bedingung der nachfolgenden Geburt zukommt, die ja nicht erfüllt wird.

Dieser Einwand widerspricht aber fundamentalen Rechtsprinzipien. Niemand kann durch rechtswidriges Verhalten die Bedingung für die Entstehung fremder Rechte gezielt vereiteln, um daraus einen Vorteil oder eine Straflosigkeit zu ziehen. Das Recht darf dem Täter keinen Vorteil daraus gewähren, dass er durch Tötung des Kindes die Bedingung für dessen vollständige Rechtsfähigkeit (die Geburt) verhindert hat. Die Bedingtheit der Rechtsfähigkeit darf nicht gegen das ungeborene Kind ausgelegt werden, wenn genau jene Bedingung (Geburt) durch einen rechtswidrigen Eingriff – etwa durch Tötung – verhindert wurde. Vielmehr muss in solchen Fällen fiktiv vom Eintritt der Bedingung ausgegangen werden, sodass das Kind vollumfänglich als Rechtssubjekt zu behandeln ist.

Daraus folgt zwingend die geltende Rechtslage. Dem Ungeborenen kommt Menschenwürde zu; seine Tötung ist rechtswidrig und allenfalls unter bestimmten engen Voraussetzungen straffrei. Eine undifferenzierte Straffreiheit würde gegen sein Lebensrecht verstoßen zu dessen Schutz der Staat verpflichte ist.